FLUG GEGEN FALLSUCHT (Gerhard Rohne, Berlin, Mai 2015)
FLUG GEGEN FALLSUCHT
(von Gerhard Rohne, Katalogtext zur Ausstellungseröffnung `John Maibohm - Montagen und Skulpturen´, Berlin, Mai 2015)
Seit wann wird Fliegen zum architektonischen Fall?
Seit Zaha den Computer steuert?
Seit Hermann Finsterlin organisch modellierte?
Seit Beauvais und Straßburg zum Himmel stiegen?
Seit Babylons Gärten hängen und sein Turm die Wolken durchdrang?
Von allen Weltwundern sind - bisher - nur die Pyramiden nicht gefallen.
Phantastische Architektur fällt meist schon in der Planungskommission.
Ernstfall von Architektur bleibt die Schwerkraft.
Warum fliegen Planung und Vision immer wieder los?
Das Barock fand Lösungen in der Bühnen-Architektur und in Kerker-Phantasien.
Stürzen, Fliegen, Öffnen, Schließen, Drohen, Hoffen, Fürchten, Leiden, Freuen.
Fall-Drohung und Fall-Lösung werden zentral in tektonischer Affektenlehre.
Gefrohrener musikalischer Affekt ...
Die Angst vorm Fliegen, die Furcht des Fallens wird im affektiven Spiel
des Planers mit und gegen den Betrachter ins Spiel gebracht. Ambivalenz
von Schwere und Flug, Bedrohung und Erleichterung, Ruine und Auferstehung
spielt der phantasierende Architekt aus.
Er baut auf konspiratives Einverständnis mit dem Betrachter.
Furcht und Hoffnung entwickeln aus tektonischen Objekten eine Formensprache.
Er belastet die papiernen Ober-Flächen mit Masse bis zum Gehtnichtmehr.
Überbietung und Staunen arbeiten zusammen. Hier bleibt kathmandu stehen …
Wir im Schleudersitz vor dem Rechner und dem Zeichenpapier können Vertigo
und Kathastrophenangst besiegen. Die schweren Sachen fallen – der Architekt
baut wieder neu.
Gerhard Rohne, Berlin, Mai 2015